Was Ungläubige als Aberglauben bezeichnen, hat in vielen Teilen Ugandas Alltagsrelevanz: Juju.
Dabei handelt es sich um den Glauben an übernatürliche Kräfte beziehungsweise schwarze und weiße Magie. Ihren Ursprung haben die Zauberrituale, in verschiedenen afrikanischen Naturreligionen. Juju bedeutet nicht automatisch das Praktizieren von dunkler Magie. So arbeiten viele Zauberer mit Heilkräutern, um Kranken zu helfen oder verkaufen selbstgemachte Liebesamulette. Neben dieser praktischen Arbeit von Voodoo-Magiern, kann auch fast jeder Ugander eine Juju-Geschichte erzählen. Hier die wahren und (vielleicht) erfundenen Geschichten, die mir bisher begegnet sind. Aber wundert euch nicht, wenn ihr den Sinn der Geschichten nicht direkt erkennt, denn diese Geschichten weichen deutlich von den europäischen Märchen ab:
Eine wahre Begebenheit
Der Schutz der Narbe
Das kleine Mädchen ist nicht einmal ein Jahr alt, doch irgendetwas scheint nicht in das Bild von einem kleinen Kind zu passen. Es drückt den dunklen Kopf tief in das weiße Tuch, das ihm als Sonnenschutz dient und dann funkelt es plötzlich. An dem knopfgroßen Ohrläppchen blitzt ein Ohrring auf. Wer kommt nur auf die Idee einem kleinen Kind Ohrringe zu verpassen?
In Uganda ziemlich viele Eltern und nicht weil sie ihre Kinder verschönern möchten, sondern als Schutz. Denn unter Voodoo-Magiern sind vor allem die Organe kleiner Kinder als Zutaten für Zauberelixiere beliebt. Ab und an werden Kinder entführt, um sie zu töten und Teile von ihnen als Zaubermittel zu verwenden. Da sie jedoch als verunreinigt und damit nutzlos gelten, wenn ihr Körper durch Narben oder Krankheiten gezeichnet ist, lassen viele Eltern schon den Jüngsten aus der Familie Ohrlöcher stechen.
Ein Juju-Märchen
Die Prostituierte und die verschwundenen Dinge (wurde mir von einem Freiwilligen erzählt)
Nicht ein Stern schaffte es, die dicke Wolkendecke über dem kleinen Dorf an der Grenze zum Kongo zu durchbrechen. Mit der Nacht begann nicht nur die Dunkelheit, sondern auch die Zeit der Arbeit für eine junge Prostituierte. Sie war schön, hatte einen makellosen Köper mit schier endlos langen Beinen, glänzendes volles Haar und ein Lächeln, dass keiner ihrer Kunden so schnell vergaß. Wie jeden Abend duschte sie sich, zog eines ihrer Kleider an und richtete ihr Haar. Von dem Geld, das sie verdiente, konnte sie sehr gut leben. An diesem Abend wartete sie in ihrem Appartement auf ihre Kunden. Doch es kam niemand. Als der jungen Frau vor Langeweile die Augen zufielen, klopfte es schließlich an ihrer Tür. „Herein“, sagte sie. Ein stattlicher Herr trat ein. Er war sehr dunkel und hatte eine kräftige Statur. Der Mann musterte sie. Dann lächelte er zufrieden. Er kam aus dem Kongo und war auf der Durchreise. „Wie viel kosten deine Dinge – dein Unterleib“, fragte er. „Meine Dinge?“, fragte die Prostituierte zurück. Sie witterte ein gutes Geschäft. „Mein Wichtigstes kostet alles, was du hast!“ antwortete sie keck. „Wenn ich dir alles gebe, was ich bei mir trage, dann bekomme ich deinen Unterleib?“ „Ja“, war die Antwort. Und so ergab es sich, dass die beiden miteinander ins Bett gingen. Da der Herr früh aufstehen musste, um seine Reise fortsetzen zu können, wachte die Schöne morgens allein auf. Sie räkelte sich und war froh allein zu sein. Noch erschöpft von der Nacht, trottete sie ins Badezimmer, um ihre morgendliche Dusche zu nehmen. Sie begann sich zu waschen, als sie bemerkte, dass etwas fehlt. Sie fuhr mit den Händen ihren Lendenbereich herab, aber dort war nichts. Ihre Kehle zog sich zusammen und ihr wurde schwindelig. Sie schleppte sich zu einem Spiegel und sah - nichts. „Er hat wirklich alles genommen“, schrie sie ihr eigenes Spiegelbild an. Dann begann sie zu weinen. Er hatte ihr ihre Weiblichkeit genommen und damit auch den Beruf. Vielleicht ist er noch da, schoss es ihr durch den Kopf. Geschwind warf sie ihren Morgenmantel über und rannte zur Busstation. Gerade als der Mann einsteigen wollte, rief sie: „Halt, du hast meine Dinge gestohlen!“ Er hielt inne und erkannte die Frau. Er bedeutete dem Fahrer zu warten. „Was willst du?“, fragte er. „Wir hatten eine Vereinbarung.“ Die Frau begann erneut zu weinen. „Bitte! Bitte gib sie mir zurück.“ Er blickte sie prüfend an. „Gibst du mir denn auch mein Geld zurück?“ „Ja alles. Sofort.“ Sie überreichte ihm ein Päckchen an Scheinen und Münzen. „Na gut, dann sollst du auch das Deine wiederhaben“, sagte er und stieg in den Bus. Und während die junge Prostituierte nach Hause ging, merkte sie, wie die verlorenen Dinge langsam wiederkamen.
Und die Moral von der Geschicht, die kenn ich leider nicht.
Eine wahre Begebenheit
Menschenjagd
Sie sind Afrikaner. Ihre Haut ist hell, die Haare blond und die Augen können ins Rötliche gehen. Ihre Vorfahren kommen nicht aus Europa. Sie sind Albinos. In Uganda kommt auf einige tausend Dunkelhäutige ein Albino. Auf Sonne reagiert ihre Haut oftmals mit Verbrennungen und in schlimmsten Fall mit Krebsgeschwüren. Auch ihre Augen leiden unter dem Licht. Ursache für die hellere Beschaffenheit ist ein genetischer Defekt, der dafür sorgt, dass das Pigment Melanin gar nicht oder nur in geringen Mengen produziert wird. Während die Albinos in Uganda zwar auch unter Vorurteilen leiden, aber dennoch relativ gut in die Gemeinden integriert sind, werden viele von ihnen in Tansania verfolgt. Aufgrund ihrer Hautfarbe werden ihren Körpern magische Fähigkeiten nachgesagt. Hexenmeister setzen hohe Kopfgelder auf die Hellhäutigen aus. Manchmal werden sie durch das ganze Land bis an die Grenzen gejagt. 2008 wurden laut der ugandischen Zeitung New Vision etwa 100 Menschen wegen ihrer Hautfarbe ermordet. Mit Aufklärungsprogrammen und Quoten für Hellhäutige im Parlament versucht Tansania dem Irrglauben entgegenzuwirken. In Uganda befürchtet man, dass die Kopfgeldjäger auch grenzübergreifend auf die Jagd gehen könnten.