"Während den politisch und ethnisch motivierten Gewaltexzessen von radikalen Hutu gegen Tutsi und Oppositionelle, die vom 6. April 1994 bis Anfang Juli 1994 in Ruanda andauerten, kamen nach internationalen Schätzungen mindestens 500 000 Menschen ums Leben. Die herrschende Meinung geht eher von 800 000 bis 1 000 000 Toten aus. Etwa 75 Prozent der einheimischen Tutsi-Bevölkerung wurde getötet. Die Täter, die der größten Bevölkerungsgruppe Ruandas angehören, gingen dabei äußerst brutal vor. Viele der Überlebenden flohen in die umliegenden Länder. Beendet wurde der Völkermord durch den Einmarsch einer Armee aus Tutsi und Oppositionellen – der Ruandan Patriotic Front, die teils international unterstützt wurde. Der Genozid war insofern einzigartig, als dass die Übergriffe nicht nur von staatlicher Seite ausgingen, sondern auch und vor allem von der Zivilbevölkerung gegen die Zivilbevölkerung. Experten schätzen allein die Anzahl der Täter, die an Mord-, Plünderungs- und Vergewaltigungsdelikten beteiligt waren auf etwa 500 000. Im Laufe der Jahre wurden über 130 000 Personen festgenommen. Nun galt es eine Lösung zu finden, mit dieser Masse an Verdächtigen umzugehen. Generalamnestie, eine Wahrheitskommission, Verfahren vor ordentlichen Gerichten und die Besinnung auf traditionelle Gerichtsbarkeiten standen zum Gespräch. Bei der Auswahl der richtigen Vorgehensweise musste stets die Instabilität der Gesellschaft beachtet werden. Schließlich sollten die Gruppen als erstes Ziel wieder miteinander versöhnt werden. Für die neue ruandische Regierung stand fest, dass dies nur über eine vollständige strafrechtliche Aufarbeitung möglich war. Um die Gefangenenzahlen bewältigen zu können, nutzte der Staat auch ein traditionelles Rechtsprechungsverfahren aus vorkolonialer Zeit – die Gacaca-Gerichte. Diese Arbeit befasst sich mit der Darstellung der Aufarbeitung des Genozids auf nationaler Ebene durch die Strafgerichtsbarkeit. Es wird auf wesentliche Mängel und Vorteile der Verfahren eingegangen. Aus diesen Ergebnissen wird anschließend eine Bewertung entwickelt, aus der Verbesserungsansätze gezogen werden."
Einleitung einer meiner Hausarbeiten über den ruandischen Genozid
Man kann über ein Thema lesen, schreiben, nachdenken - studenlang, tagelang, wochenlang. Im Kopf verdichten sich all die Informationen immer mehr zu einem Bild. Man entwickelt einen ganz besonderen Bezug zu etwas. Und dann, wenn man von der Theorie in die Praxis wechselt, ist alles ein Stück weit anders. Obwohl man die Zeit über weiß, dass es einen Unterschied zwischen imaginären Bild und Wirklichkeit gibt, ist man überrascht von der Realität. Die Erfahrung habe zumindest ich gemacht, als ich Ruanda besucht habe. Afrika ist nicht nur Afrika. Es ist ein Kontinent mit den unterschiedlichsten Landschaften, Tieren, Menschen, Kulturen, Sozialstrukturen, politischen Systemen, Religionen, Wirtschaftsformen und so weiter und so weiter. Schon oft gehört. Schon oft erzählt. Wie groß das Ausmaß dieses Unterschieds wohl sein kann, wurde mir in Ruanda bewusst. Denn Ruanda, (zumindest Kigali und Huye) ist anders - anders als Uganda und anders als mein Kopfbild.
Was ist denn nun so anders? Eine kleine Übersicht von all dem, was mir in der kurzen Zeit aufgefallen ist - Unwesentliches und Wesentliches:
Landschaft:
Muttersprache ist Kinyarwanda und wird von fast allen Ruandern gesprochen, daneben werden an den Schulen noch Französisch und Englisch gelehrt. Vergleich zu Uganda: In Uganda leben über 40 verschiedene Völker/ Stämme. Jede Gruppe hat ihre eigene Sprache bzw. eine eigene Ausprägung der Sprache. Deshalb wird schon früh in jeder Grundschule Englisch gelehrt, damit man sich verständigen kann.
Verkehr:
Ruanda verfügt über ein unglaublich gut ausgebautes Straßenverkehrssystem. Keine Schlaglöcher, keine unverständliche Fahrbahnmarkierung. |
Insgesamt fährt man in Ruanda vorsichtiger. Die Fahrer, die ich erlebt habe, haben mehr Rücksicht auf ihre Umwelt genommen und vor allem haben sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten. |
Lebensstil: Es fällt auf, dass der ruandische Lebensstil in der Stadt viel westlicher ist, als in Uganda. Man legt mehr Wert auf Gesundheit und Fitness. Man isst europäisches Essen, hört amerikanische Musik und kleidet sich auch entsprechend. Ein Ruander hat mir diese Gegebenheit mit der enormen westlichen Präsenz nach dem Völkermord erklärt.
Kultur:
Und sonst noch:
Von 1884 bis 1916 war Ruanda eine deutsche Kolonie. Die Deutschen herrschten damals indirekten über das Land, indem sie die damaligen Monarchen kontrollierten - teils durch Handel, aber auch gewaltsam. Während die Deutschen den Monarchen zur Verwaltung nutzten, benutzte er die Weißen wiederum zum Machterhalt. So wurden Aufstände mit deutschen Kräften blutig niedergeschlagen. Diese Zeit hat Spuren hinterlassen. Eine sichtbare Spur ist das Richard Kandt-Haus in Kigali. Die deutschen Kolonialherren und Missionare wurden von den Einheimischen übrigens als die "Roten Dinge" bezeichnet, vermutlich weil viele Gesichter der Weißen von der Sonne verbrannt waren. Die Bevölkerung fand diese Menschen sehr merkwürdig - schließlich aßen sie Eier, die allgemein als unrein galten (heute findet man überall in Ruanda Eierspeisen). Außerdem trugen sie merkwürdige Gegenstände an ihrem Füßen (Schuhe). Die Schuhe führten damals zu dem Gerücht, dass die Weißen Hufe haben, die sie vor der Welt verbergen wollten. |
Zur Politik:
Eine kleine Zusammenfassung gibt es bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Ruanda#Politik
Ich würde ja zu den Themen gern selbst ausführlich etwas schreiben, aber politische Aussagen sind wegen des Neutralitätsprinzips des Roten Kreuzes immer etwas heikel. Deshalb findet ihr die Wikipedia-Informationen zu Politik und Genozid über die Links.
Das Kigali Genocide Memorial Center:
Nach dem Völkermord von 1994, der Höhepunkt einer langen Geschichte von gewaltätigen Übergriffen zwischen Bahutu und Batutsi, bekam Ruanda eine neue Regierung, eine neue Flagge, eine neue Nationalhymne und eine neue Verfassung. Die offizielle und inoffizielle Differenzierung in Hutu und Tutsi wurde nicht nur aufgehoben, sondern verboten. Daneben wurden in ganz Ruanda Gedenkstätten eröffnet. Die Größte von ihnen ist das Kigali Genocide Memorial Center:
Die Gedenkstätte ist gleichzeitig ein Grab: Um die 250 000 Opfer liegen hier in Massengräbern.
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Für die Hinterblienen und Trauernden wurde eigens ein Garten angelegt, in den sie sich zurückziehen können. Es kommt nicht selten vor, dass Besucher der Gedenkstätte zusammenbrechen.
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Es ist anders, wenn man all dem, worüber man so viel gelesen hat, plötzlich auf dieser realen Ebene gegenübertritt. Zumindest war es so für mich.
Falls ihr Fragen zum Thema habt, könnt ihr mich sehr gern anschreiben (ist schließlich zu einem Studienschwerpunkt geworden).
Filmtipps: Der Völkermord war Gegenstand einiger interessanter Filme, so zum Beispiel "Hotel Ruanda", "The Last Just Man", "Der Mörder meiner Mutter" und "Shooting Dogs".
Das Vorbild für den Spielfilm "Hotel Ruanda" kann man in Kigali besichtigen - das Hotel Des Mille Collines. |
Es ist ein luxuriöses Hotel im Zentrum der Stadt. |
Man kann dort sehr gut essen, aber bei mir hat es leider nur für einen Kaffee gereicht... |