Denn manchmal kommt alles anders, als man denkt...
Auf einige der Erfahrungen der vergangenen Monate hätte ich gern verzichtet und so wirklich Lust sie zu erzählen, habe ich noch immer nicht. Allerdings bin ich eine Erklärung schuldig, also kann ich mich nicht länger drücken.. Aber seid mir bitte nicht böse, wenn ich nicht auf jeden Tiefpunkt ausführlich eingehe - einige sind privat und außerdem soll der Bericht ja keine Klageschrift werden - denn schließlich gibt es auch viel Positives zu berichten. Deshalb die schlechten Nachrichten zuerst, damit ihr euch im Anschluss auf das Schöne freuen könnt...
Tiefpunkt 1: Über sechs Stunden Fahrt vom nächsten Krankenhaus entfernt, wird mein Besuch so krank, dass ich zeitweise befürchte, dass er Uganda nicht mehr lebend verlässt.
Tiefpunkt 2: Einige Erfahrungen während meiner Arbeit im Krankenhaus. Zum Beispiel wird ein kleiner Junge mit einem Schlangenbiss eingeliefert, der schreckliche Folgen hat.
Tiefpunkt 3: Einer Freundin wird vermutlich Liquid Ecstasy (eine Vergewaltigungsdroge) in ihr Getränk gemischt. Ich verbringe die Nacht mit ihr in der Notaufnahme. Zum zweiten Mal habe ich Angst, dass ein Freund Uganda nicht überlebt.
Tiefpunkt 4: Ein Bekannter hat einen Zusammenbruch mit schlimmen Folgen.
Tiefpunkt 5: Ich finde zusammen mit Flo einen verletzten Welpen, pflege ihn, versuche alles in die Wege zu leiten, um ihn mit nach Deutschland zu nehmen, doch dann läuft alles schief.
Tiefpunkt 6: Mein Handy mit allen ugandischen Nummern und allen SMS, die ich mir als Erinnerung aufbewahren wollte, wird geklaut.
Tiefpunkt 7: Ein Frewilliger wird nachts überfallen. Sie halten ihm eine Pistole an den Kopf und sagen, dass er die Nacht nicht überleben wird. Er konnte zum Glück fliehen.
Fazit: Manchmal wollte ich einfach nur nach Hause... aber so weit kommt es noch.
Meine Arbeit im Krankenhaus
Tränen laufen über die dunklen Wangen. Mit einem Bündel im Arm steht die Frau weinend im düsteren Flur. "Ich kann ihrem Kind so nicht helfen", sagt die Krankenschwester. "Wir brauchen eine Kanüle, aber unsere Vorräte sind aufgebraucht." Also zieht die Mutter mit ihrem kleinen Mädchen, das unter malariabedingten Fieberschüben leidet, davon. Sie muss in der 300 Meter entfernten Apotheke eine Kanüle kaufen. Szenen wie diese beobachtet man im staatlichen Krankenhaus in Entebbe fast jeden Tag. Dabei befinden sich nebenan die nationalen Medizinvorräte. Viele der Patienten beschweren sich, weil es für sie unvorstellbar ist, dass die Vorräte des Krankenhauses erschöpft sein sollen. Diskussionen über dieses Thema sind Alltag in den Fluren des Hospitals.
An meinem ersten Arbeitstag wurde ich mit den Worten begrüßt: "Heute ist kein guter Tag, um hier zu beginnen. Heute Nacht ist ein Baby gestorben. Es ist mit hohem Fieber eingeliefert worden. Ich konnte nichts mehr tun." Zum Glück musste ich diesen Satz nie wieder hören. Immerhin war ich dadurch schon einmal gewappnet, dass mein Einsatz kein Spaziergang wird...
In Entebbes Krankenhaus können sich die Patienten kostenlos behandeln lassen - sofern die nötigen Medikamente vorhanden sind.
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Ich beginne meine Arbeit auf der Kinderstation. Zu meinen Aufgaben im Krankenhaus gehört unter anderem der allseits (un)beliebte Putzeinsatz, die Patientenunterhaltung und der Medikamententransport.
Die erste Zeit ist wirklich gewöhnungsedürftig. In manchen Fenstern fehlt das Glas. An den offenen Stellen ziehen sich lange Ameisenstraßen durch die Schlafsäle. Betten und Metalltische sind angerostet. Die Patienten müssen selber für Bettwäsche, Moskitonetze und Verpflegung sorgen. Und die meisten sprechen kein Englisch, nur Luganda.
Auch die Schicksale sind andere:
An meinem zweiten Arbeitstag wird ein kleiner Junge eingeliefert. Sein Arm ist auf das Doppelte angeschwollen. Durch die Schwellung ist seine Haut eingerissen, so dass der Arm voll Blut ist. Er wurde angeblich einige Tage zuvor von einer schwarzen Schlange gebissen, als er sich auf einem Baum ausgeruht hat. "Angeblich". Denn die Ärzte zweifeln an der Geschichte. So lange hätte er bei dem Biss einer giftigen Schlange nicht überlebt. Es sei außerdem merkwürdig, dass die Eltern nicht vorher einen Arzt aufgesucht haben. Der Junge wird behandelt. In der Zwischenzeit kommt heraus, dass seine Familie mit ihm aus einem nahen Hospital geflohen ist, weil sie ihm den Arm amputieren wollten. Keine Besserung. Er wird in ein anderes Krankenhaus gebracht, damit ihm dort der Arm abgenommen werden kann.
Andere Geschichte: Ein Baby wird eingeliefert. Die Mutter zeigt mir ein Foto von sich und einer anderen Frau. "Deine Schwester?", frage ich. "Nein. Das ist die zweite Frau meines Mannes", antwortet sie. Oho! Und warum ist sie hier? Die zweite Frau habe dem Kind aus Eifersucht den Oberschenkel gebrochen...
Aber so traurig und erschreckend es manchmal sein konnte, so froh bin ich trotzdem, dass ich die Erfahrung machen durfte. Das Personal war sehr nett und wir hatten wirklich viel Spaß miteinander. Sie haben mir Luganda und vieles über Uganda beigebracht.
Auch die Patienten haben mich herzlich aufgenommen und teilweise zu ihren Familien nach Hause eingeladen. Vor allem die Kinder waren von dem Mzungu/Muzungu (Weiße) begeistert, der immer so merkwürdige Grimassen gezogen und sie nach den Spritzen getröstet hat.
Ein kleiner Rundgang durch das Krankenhaus:
Im Eingangsbereich kontrolliert eine Wache die Patienten. Im Outpatientdeparment (Haus links) werden sie nach meist mehrstündiger Wartezeit untersucht, behandelt und/oder eingewiesen. Einen kleinen Grünbereich zur Entspannung hat das Krankenhaus auch.
HIV/Aids-Beratung... |
...und sogar eine Röntgenabteilung. |
Jeden Morgen gibt es eine Begrüßung von den Bauarbeitern, die an der riesigen Mauer zu den nationalen Medizinlagerhäusern bauen, damit nichts geklaut wird. Daneben befindet sich die Kinderstation.
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Die Kinderstation mit reichlich Arbeit. |
Der erste Blick galt immer der Station. Neue Patienten? Wie steht es um die Kleinen? Irgendwas schmutzig? Dann Handschuhe an und...
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... putzen! |
Vor allem den Behandlungsraum. Anschließend ein Pläuschchen mit den Kollegen, Fallbesprechung, Papierarbeit, Medikamentenbesorgung oder Patientenbetreuung.
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Veränderungen
In den vergangenen drei Monaten haben wir unseren Ansprechpartner (Focal Person) in der Branch und auch unseren Chef der Branch (Branch Manager) verloren. Unsere Focal Person hat einen sehr guten Job im Feuerwehrteam von Entebbes Flughafen bekommen. Unser Branch Manager wurde versetzt, dafür haben wir jetzt eine sehr freundliche Frau, die unser Büro leitet. Ich habe übrigens Ärger dafür bekommen, dass ich geweint habe, als mein damaliger Boss verabschiedet wurde - das sei nicht meine Aufgabe als deutsche Freiwillige... (Zitat Vorgesetzter Bbosas).
Wer es findet, darf's behalten
Wie ein Geist huscht der schwarze Schatten durch den Regen. Verschwunden. Was war das? Einbildung? Hmmm... soll ich nachschauen oder lohnt sich das alles nicht? Vielleicht war es nur ein Vogel. Oder noch schlimmer, eine fette Schlange... Die Neugier siegt. Ich beuge mich nach unten und ein kleiner schwarzer Welpe schaut mich an. Vor meiner Reise habe ich oft gescherzt: Wenn mir ein verletzter Hund über den Weg läuft, klar dann nehme ich ihn mit. Jetzt fehlt nur noch, dass das kleine Bündel aus Fell und Knochen verletzt ist. Und? Tatsächlich es humpelt. Schicksal! Der Hund wird also eingepackt und geradewegs zum Tierarzt (so etwas gibt es sogar um die Ecke - ich bin begeistert) gebracht. Es ist nichts Schlimmes nur eine Verstauchung. Sehr gut, nun wird erst einmal Hundefutter gekauft. Dann muss ein Name her: Amani (bedeutet auf Luganda Stärke)? Klingt zu sehr nach italienischem Modelabel. Wuschel? Passt nicht. Struppi? Nee, es ist ja ein Mädchen. Nach drei Tagen stehen nur noch zwei Namen zur Auswahl: Sanyu (das lugandische Wort für glücklich) und Coco (das kleine schwarze von Coco Channell). Ich kann mich nicht entscheiden. Dann muss halt ein Doppelname her. Sanyu wächst, gedeiht, lernt brav Sitz. Und auch wenn welpische Zerstörungswut und Stubenunreinheit mich fast wahnsinnig machen, so ist sie doch einfach nur lieb. Im Büro jagt das Tier erst die ugandischen Kollegen, dann zeigt es ihnen allmählich, dass nicht alle Hunde beißen. In der täglichen Sammelbusfahrt ist er der Hingucker. Selbst die Kinder in der Nachbarschaft fragen nach ihm und ob sie den Hund streicheln können. Ich schreibe die Botschaft an, um alle Infos zu bekommen, wie ich das Getier mit nach Deutschland nehmen kann. Tja, aber dann kommt alles anders als gedacht. Sanyu wurde krank, begann wild um sich zu beißen. Der Verdacht auf Tollwut kam auf, wurde aber nach einigen Tagen wieder ausgeräumt. Wahrscheinlicher ist, dass sie etwas Toxisches gefressen hat. Leider legen Diebe gern giftige Köder aus, um Wachhunde oder zumindest potentielle tierische Wächter auszuschalten. Schließlich musste ich sie einschläfern lassen, weil sie kaum mehr fressen und atmen konnte. So unendlich traurig.
Flo hat sein Paket geopfert, um den Hund zum Arzt zu transportieren. |
Danach gab es erst einmal eine Anti-Floh-Wäsche |