Sonntag, 20. Februar 2011

Die Wahl

Vor den Wahlen

Freiwillige werden ausgebildet, um zu den Wahlen in einer Art Bürgerwehr zu patroullieren. Die Zeitungen berichten groß über Lastwagen beladen mit Tränengas, das extra aus Kenia importiert wird. Konvois mit Soldaten und Waffen fahren in den Straßen demonstrativ auf und ab. Sicherheitshinweise gehen von den ausländischen Regierungen an ihre Staatsbürger, die sich derzeit in Uganda befinden. Für den Notfall sind Sammellager geplant. Viele Menschen legen Lebensmittelvorräte an. Für den Fall, dass es in Uganda zu Unruhen während oder nach den Wahlen kommt, möchte man vorbereitet sein. 

Auch das Rote Kreuz bereitet sich vor. Es hat die Erlaubnis, während der Stimmabgabe an den Wahllokalen und potentiellen Brennpunkten bereit zu stehen, um Erste Hilfe zu geben. Dementsprechend werden die Erste Hilfe-Kits gefüllt und die Freiwilligen in Rollenspielen auf die Situation vorbereite. Dabei haben das Prinzip der Humanität und Neutralität oberste Priorität:

Künstler, Verletzte, Erste Hilfe-Leistende, Zweitversorger und Polizisten: Damit die Rot Kreuz-Freiwilligen möglichst gut auf Krisensituationen vorbereitet sind, wurden die potentiellen Szenarien in Rollenspielen nachempfunden. Dazu wurden die Teilnehmer in unterschiedliche Gruppen eingeteilt, die ihrer Rolle möglichst gerecht werden sollten.

Knochenstifte und Blutfarbe: Mit Stiften und Farbe wurde versucht verschiedenste Typen von Verletzungen zu simulieren, so dass die Hilfeleistenden möglichst all ihr Wissen nutzen müssen. Dabei wurden Stifte benutzt, um Knochenbrüche darzustellen und verschiedene Farben für unterschiedliche Hautschädigungen (Rot: stark blutend, Schwarz: Verbrennung)

Ich wurde zur Verletzten mit Nasenbruch, stark blutender Armwunde und Blutung aus dem Ohr bestimmt.

Improvisation ist alles: Da nicht immer alle Erste Hilfe-Materialien zur Verfügung stehen, mussten die Helfer auch erfinderisch werden. Hier wurden Schals zu Armschlingen und Tücher zu Pads für Druckbandagen.

Schnelligkeit und Vorsicht: Auch die verschiedenen Arten des Transports wurden noch einmal geübt. Darunter auch der Transport in der etwas mitgenommenen aber noch immer funktionierenden Entebbe-Ambulanz. Schnell zu handeln ohne weitere Verletzungen herauszurufen, ist gar nicht so einfach.


Ugandas Politik - eine sehr kurze Übersicht

  • Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft: 1962
  • Anschließend immer wieder Kämpfe um die Macht in Uganda unter anderem von Idi Amin und Milton  Obote, die hunderttausende von Opfern forderten.
  • 1986 erringt der aktuelle Präsident mit seiner Armee die Macht: Yoweri Museveni (Führer der National Resistance Movement - NRM)
  • 2006 wird das Mehrparteiensystem eingeführt und es finden die ersten Wahlen in diesem System statt.
  • 18.02. 2011 die zweiten Wahlen finden im Mehrparteiensystem statt.
  • Uganda ist eine präsidentielle Republik. Das bedeutet, der Präsident ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef (sowie oberster Befehlshaber der Armee).
  • Demokratisch-parlamentarische Elemente bilden die Basis des politischen Systems Ugandas. Es finden sich aber auch autoritäre Elemente.


 Die Präsidentschaftskandidaten der Wahl 2011




So funktionieren die Wahlen in Uganda 

Wahlperiode: Der Präsident und das Parlament werden alle fünf Jahre gewählt.

Wahlberechtigung: Es gilt das allgemeine Wahlrecht - wahlberechtig sind alle Personen mit ugandischer Staatsangehörigkeit ab 18 Jahren.

Registrieren: Wer sein Wahlrecht ausüben möchte, muss sich zuvor registrieren lassen. Wer nicht registriert wurde, ist auch nicht berechtigt zur Stimmabgabe.

Wahlzeit: Seine Stimme kann man von 7 bis 17 Uhr in den einzelnen Wahllokalen abgeben.

Gewählt werden:
- Der Präsident
- Direkt bestimmte Parlamentsmitglieder
- Die Frauenrepräsentanten in den Parlamenten der einzelnen Distrikte Ugandas

Öffnung des Wahlkits
- Bevor es geöffnet werden darf, müssen mindestens 5 Wähler als Zeugen anwesend sein
- Die Wahlurnen müssen geöffnet und mit der Öffnung nach unten gehalten werden, um zu sichern, dass sich noch keine Stimmzettel darin befinden.

Quelle: Daily Monitor vom 18.02.2011
Die Wahlprozedur:

1. Einreihen
2. Identifizierung und Registrierung
3. Wahlunterlagen für die Präsidentenwahl von der Wahlkommission entgegennehmen - dies unter Aufsicht von Beobachtern der einzelnen Parteien (nicht mehr als 2 pro Partei)
4. Wahl durch ankreuzen oder farbigen Fingerabdruck in einem Basin als Sichtschutz.
5. Abgabe des Stimmzettels
6. Weiter zur nächsten Stimmzettelausgabe - Wahlpapiere für die Direktwahl der Parlamentsmitglieder entgegennehmen.
7. Wahl im Basin
8. Zettel in die Wahlurne
9. Ausgabe der Wahlpapiere für die Frauenrepräsentanten im Parlament
10. Wahl und Zettelabgabe
11. Markierung des Fingers, um doppeltes Wählen zu verhindern

- Überwacht werden die Wahlen von internationalen Wahlbeobachtern
- Daneben sind auch Polizei, Militär und teilweise Rotes Kreuz anwesend.

Für jeden lesbar: Die Stimmzettel zur Präsidentenwahl wurden derart gestaltet, dass sie für jeden lesbar sind - auch für Analphabeten. Es werden Parteiname, ein Bild des Kandidaten und das Symbol der Partei abgedruckt. Quelle: Daily Monitor vom 18.02.2011

Erlaubte Markierungen auf den Wahlzetteln. Quelle: Daily Monitor vom 18.02.2011


Gewählt wird generell unter freiem Himmel. Quelle: Daily Monitor vom 18.02.2011
Die Wahlurnen. Quelle: Daily Monitor vom 18.02.2011


Pressestimmen vor der Wahl

 



Zur Situation, wie ich sie erlebt habe  

 

Der Himmel ist noch dunkel und die Straßen sind ruhig, doch vor den Wahllokalen haben sich schon lange Schlangen gebildet. Die Ugander wollen ihre Stimmen abgeben und ich soll mit anderen Freiwilligen an den Wahllokalen bereitstehen, um Erste Hilfe zu leisten, falls etwas passiert. Das "etwas" können Wähler sein, die in Onmacht fallen, weil sie in der prallen Sonne darauf warten müssen, ihre Stimme abgeben zu können. Es können aber auch Tumulte zwischen rivalisierenden Parteianhängern oder zwischen Polizei und Wählern sein. Eine ugandische Rot Kreuz-Freiwillige sagt ihre Teilnahme an unserem Einsatz ab. Ihre Eltern haben Angst, dass ihr etwas passiert. Ich werde mit einer anderen deutschen Frewilligen und zwei Ugandern an einer Schule stationiert. Wider Erwarten bleibt es den ganzen Tag und die ganze Nacht ruhig in Entebbe. Doch die Nachrichten und Freunde berichten von Gewalt, Unruhen und Demonstrationen in Ost-Uganda. 71 Menschen werden dabei verletzt. Später, als die Wahl entschieden ist soll es auch in Entebbe zu Tumulten kommen. Befreundete Rot Kreuzler werden teils schwer verletzt, als sie versuchen Hilfe zu leisten.

Pressestimmen nach der Wahl

Samstag, 19. Februar 2011

Stimme, Stimmen, Stimmung. Uganda und die Wahl-Euphorie

Das Wummern der Bässe übertönt die kreischenden Motoren der Autos und das Knattern der Motorradtaxis. Die Musik wird lauter und die Quelle des Lärms sichtbar. "You want another rap?" - Du willst noch einen Rap? - dröhnt es aus den Lautsprechern eines gelb geschmückten Lastwagens, der auf der Hauptstraße langsam von Entebbe Richtung Kampala tuckert. Neugierige Menschen strömen auf die Gehwege, lachen, tanzen, singen und folgen dem Wagen und seiner Escorte aus Motorrädern. Die in Gelb gekleideten Männer und Frauen auf der Ladefläche unterhalten die Zuschauer. Sie rufen politische Parolen, verteilen T-Shirts und Poster. Am Ziel des Zuges warten Politiker auf einer Bühne mit Rednerpult drauf, zu Wort zu kommen. Der ugandische Weg des Wahlkampfs. 
Gelb steht für die National Resistance Movement (NRM), die aktuelle Regierungspartei. Seit 25 Jahren an der Macht. Ein Bus ist ihr Symbol und der amtierende Präsident Yoweri Museveni ist wie auch vor 25 Jahren ihr Kandidat. Von ihm stammt der Satz "You want another rap", der von seinen Anhängern  musikalisch unterlegt und schließlich zur Wahlkampfhymne erklärt wurde. Bis auf Fußball scheint  die Ugander kaum etwas so sehr zu bewegen, wie die Möglichkeit ihrer politischen Meinung Ausdruck zu verleihen. Gestern fanden zum zweiten Mal Wahlen im 2006 geschaffenen Mehrparteiensystem statt. Acht Parteien mit acht verschiedenen Farben und acht unterschiedlichen Symbolen standen zur Auswahl.
Die Politiker werden gefeiert wie Popstars. Wähler schmücken sich mit den Farben der Parteien, tragen ihre Symbole, singen ihre Lieder, rufen ihre Slogans und verzieren die Autos mit ihren Plakaten. Auto- und Motorrad-Korsos werben auf den Straßen für die Kandidaten - manchmal aus freiem Engagement, ein anderes Mal gegen Geld. Die Wahlkämpfer sind Tag und Nacht unterwegs, um die Wahlplakate ihrer Parteien an die Häuser zu kleben. Haften diese erst an den Wänden, dann ist es illegal, sie abzureißen.

Vuvuzela für den Wahlsieg: Wie zur Fußball-WM im vergangenen Jahr werden die afrikanischen Blasinstrumente auch im Wahlkampf eingesetzt, um Stimmung für die eigene Partei zu machen.

Mit Musik auf Wählerfang: Beliebtes Wahlkampfmittel ist ein Lastwagen mit lauter Musik, da man auf diesem Weg günstig viele Menschen erreicht. Hier wird gerade für die Partei des amtierenden Präsidenten geworben.

Auto als Wahlkampfsymbol: Auf ihre Autos legen die Ugander viel Wert. Wie in anderen Ländern auch, gelten sie als Statussymbol. Umso aussagekräftiger ist es, wenn die Eigentümer sogar ihren fahrbaren Untersatz mit Wahlwerbung verzieren, wie dieses Sammeltaxi in Entebbe.

Wahlveranstaltungen an jeder Ecke: Vor den Wahlen finden die Wahlveranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten statt - von Schulen über Märkte bis hin zu Gesundheitszentren (ähneln Krankenhäusern).

Plakate waren kurz vor den Wahlen plötzlich überall: An Bäumen....


.. vor allem an Bäumen ...


... zur Abwechslung auch mal an Straßenlaternen...

... und an Zäunen ...
... an Läden ...

... und Bars ...

... an Schulen...

... an Märkten ...

... an Unternehmen, wie dieser Schreinerei,...


... an Haltestellen...

... an Geschäften ...

... an Wegweisern...

... an Verkehrsschildern ...

... an Werbetafeln ...

... an Wohnhäusern ...

.... selbst an Abrißhäusern hängen als Letztes noch immer die  Plakate.


Aber: Werbetafeln gibt es auch, wie dieses des Oppositionellen Bidandi Ssali.